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Helden? „Ach, du lieber Gott!“. Monika Marons Roman „Artur Lanz“ im Zeichen von Gendersprache und Meinungsfreiheit

von Thomas Paulwitz

Nein, es ist kein Roman über den bekannten ZDF-Moderator. Die Namensähnlichkeit mit Markus Lanz ist rein zufällig. Artur Lanz ist keiner, der gern im Rampenlicht steht. Seinen Namen verdankt er seiner Mutter. „Meine heldenverliebte Mutter“ wollte „mit der Verbindung von Artur und Lanz die Geschichte vom Heiligen Gral beschwören“, erklärt der Fünfzigjährige seiner neuen Bekanntschaft Charlotte Winter. Sie ist eine Schriftstellerin auf der Suche nach einem Stoff für eine neue Erzählung. Nur unschwer zu erkennen trägt Winter als Ich-Erzählerin die Züge der Verfasserin des Romans, Monika Maron.

„Bei Helden denke ich sofort an Krieg“

„König Artus und Lancelot in ihrem einzigen Sohn vereint“, das war der mütterliche Traum für ihr Kind Artur. Sie liest ihm Helden- und Rittergeschichten vor. Doch Lanz wird ganz und gar kein Held, und der feministische Zeitgeist verlangt auch ganz und gar nicht nach Helden. Ein Schlüsselerlebnis ist jedoch, als er – für seine Verhältnisse heldenhaft – seinen Hund aus einem Rapsfeld rettet. Dazu kommen Einschnitte wie Herzinfarkt und Scheidung. Das alles bringt ihn auf die Spur, nach dem Heldenhaften zu suchen, und Charlotte Winter begleitet ihn auf dieser Suche.

In ihrem linksliberal geprägten Bekanntenkreis erntet sie für ihr neues Thema weitgehend Unverständnis, am heftigsten jedoch bei Penelope Niemann. Die ehemalige Hamburger Kultursenatorin war als Soziologin mit Hilfe der feministischen Schiene in höhere Ämter aufgestiegen. „Ach, du lieber Gott!“, entfährt es der Penelope, als Charlotte Winter in einer Gesellschaft erzählt, sie denke über Helden nach. „Wenn schon, dann Heldinnen“, wirft Frau Müller-Hermsdorf, eine Psychologin, politisch korrekt ein, während Künstlerin Ulrike Zeisig das spricht, was der Zeitgeist erwartet: „Bei Helden denke ich sofort an Krieg.“ Winters Freund Professor Adam Bergmann, im Grunde eigentlich ein Konservativer, belehrt sie, daß man doch in einer „postheroischen Gesellschaft“ lebe.

„Diese dämlichen [Gender-]Sternchen“

Man bekommt eine Ahnung, wie schwer es der Generation von Artur Lanz gemacht wurde, ein positives Verhältnis zur Männlichkeit im allgemeinen und zum Heldentum im besonderen zu entwickeln. Auf diesem vom Abbau alles Alten getränkten Nachkriegsboden gedieh mit dem Dekonstruktivismus auch der radikale Feminismus, der heute seinen sprachlichen Ausdruck in der Genderei findet. Monika Maron ist erklärtermaßen eine Gegnerin der Gendersprache. Sie war im März 2019 zusammen mit Wolf Schneider und Josef Kraus Erstunterzeichnerin des Aufrufs „Schluß mit dem Genderunfug!“, den rund 80.000 Bürger unterzeichneten.

Diese kritische Haltung schlägt sich auch in ihrem Roman nieder. Charlotte Winters enger Freund, Professor Adam Bergmann, bezeichnet sich als „Gegner der Gendersprache, nicht schwul, bi, queer oder sonstiges, also stockkonservativ.“ Auch Winters beste Freundin, Spitzname „Lady“, entpuppt sich als Parteigängerin der Anti-Gender-Fraktion, als sie von einer Dichterin berichtet, die sie im Radio gehört habe: „Diese Lyrikerin habe dann von den engagierten Verlegerinnen und Verlegern, Lektorinnen und Lektoren, Lyrikerinnen und Lyrikern gesprochen, und sie schien nicht das geringste Gefühl dafür zu haben, wie komisch das klang.“ Auch mit dem Genderstern rechnet „Lady“ ab: „Diese dämlichen Sternchen sind eine Beleidigung.“

„Vorwärts ins Grüne Reich“

Das große Thema des Romans ist jedoch die Meinungsfreiheit, wobei wieder die Gendersprache als Lackmustest dient. Am Ende wird Bettina Hartke, eine Arbeitskollegin von Artur Lanz und seinem Freund Gerald Hauschildt am Physikalisch-Chemischen Institut, die fehlende Gendersprache als Beleg für eine unangemessene politische Haltung ins Feld führen. Hartke hatte schon früher Hauschildt verbessert, „wenn er von Physikern, Mitarbeitern, Sportlern oder Politikern gesprochen hat“, und stets „ein Innen drangehängt“. Als Hauschildt im Institut Schwierigkeiten bekommt, zieht sie über ihn her. Sie fühle sich von Hauschildt herabgesetzt, wenn er grundsätzlich Frauen nicht benennen wolle. Außerdem sei dies auch ein Zeichen für sein „rechtes Gedankengut“.

Was war geschehen? Hauschildt ist ein Skeptiker, der bezweifelt, daß Kohlendioxid die Ursache des Klimawandels ist. Die Klimapolitik nimmt für ihn den „Rang einer Verschwörung“ ein. Zum Verhängnis wird ihm, als er auf Facebook den Satz veröffentlicht: „Wir marschieren vorwärts ins Grüne Reich, aber heute nicht über Autobahnen, sondern über die Stromtrassen der Grünen.“ Das Problem: Sein Institut ist abhängig von der Energiewende, es forscht gerade an einer neuartigen Beschichtung für Rotorblätter von Windkraftanlagen, die Insekten und Fledermäuse davon abhalten soll, sich zu nähern und zerhäckseln zu lassen.

Hauschildt wird für seinen Spruch denunziert und muß sich im Institut vor einem Tribunal rechtfertigen. Dieses bietet Artur Lanz die Möglichkeit, doch noch zu einem richtigen Helden zu werden. Doch hier verläßt der Roman allzusehr die heutige Wirklichkeit, denn Tribunale, auf denen man sich vor allen verteidigen kann, werden nur selten geboten. Trotzdem holte die Wirklichkeit die Autorin des Romans doch noch ein. Monika Maron hatte einen Essay-Band in einem Verlag veröffentlicht, deren Leiterin Unterschriften gegen Gewalt gegen rechte Verlage auf der Frankfurter Buchmesse gesammelt hatte. So trennte sich der Verlag S. Fischer nach fast 40 Jahren von der preisgekrönten Schriftstellerin. Dem Agenten Marons wurde mitgeteilt, sie sei „politisch unberechenbar“. Inzwischen hat sie jedoch beim Verlag Hoffmann & Campe in Hamburg eine neue schriftstellerische Heimat gefunden.

Monika Maron: Artur Lanz, Roman, Verlag S. Fischer, Frankfurt am Main 2020, 224 Seiten, 24 Euro.

Die Besprechung von Thomas Paulwitz ist zuerst erschienen in der Zeitung DEUTSCHE SPRACHWELT, Ausgabe 82, Winter 2020/2021. 

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